Die Güter der Erde sind ungleich verteilt.
Das steht fest.
Was man mit dem Sachverhalt anfangen soll, ist ungeklärt. Seit den Zeiten des sagenhaften Goldenen Kaisers, der die Völker am gelben Fluss beherrschte, haben sich alle Staatsmänner und Philosophen, alle Propheten und Schwärmer, alle Skeptiker und Romantiker mit der ungleichen Verteilung der irdischen Güter befasst. Das Ergebnis dieser Bemühungen ist die Kulturgeschichte der Menschheit.
Eine gewisse Übereinstimmung scheint zu herrschen hinsichtlich der Notwendigkeit, dass die Verteilung geändert werden müsse. Aber selbst der Eindruck trügt. Die allegemeinen Mängel der menschlichen Konstitution führen nur allzuleicht dazu, an die Stelle eines unlösbaren Problems ein anderes vorzuschieben, das lösbar scheint. Aber die Frage ist durchaus nicht, wie die künftige Verteilung der irdischen Güter sein soll. Die Frage ist, ob die derzeitige Verteilung gut oder schlecht ist. Hier schon tun sich Abgründe der Philosophie auf.
Hinsichtlich der Verteilung der irdischen Güter können wir uns auf einen Tatbestand stützen, der sich bislang der öffentlichen Beobachtung entzogen hat. Kein Gutgesinnter wird leugnen können, dass die irdischen Güter von allverschiedestem Wert sind. Es stellt sich heraus, dass gerade die wertvollsten und im allgemeinen Urteil der Menschen am meisten geschätzten irdischen Güter überhaupt gar nicht anders verteilt werden können, als sie es schon sind. Diese feinsinnige Beobachtung haben wir Aristoteles zu verdanken. Dem Chronisten steht es wohl an, sie der derzeitigen Menschheit erneut eindringlich vor Augen zu halten.
Das Wertvollste dessen, was der Mensch hat, sind seine Eigenschaften. Man kann die Güter der Erde verteilen, wie man will. Diejenigen, nach denen die Menschen sich am meisten sehnen, die sie sich am glühendsten wünschen, sind vom Schicksal schon verteilt. Wir können nichts mehr daran ändern.
Schönheit und Talent sind über die Menschen hin verstreut von der Hand eines Sämanns, dessen Wurf kein irdischen Auge zu überblicken vermag. Höchstens das kann uns trösten, dass es einige Eigenschaften gibt, die ebenso verloren gehen, wie sie erworben werden können. Der Stolz, der Edelmut, die feine Bescheidenheit sind auch für die zu haben, denen Talent und Schönheit versagt geblieben sind. Aber die Menschen machen von dieser Möglichkeit nur selten Gebrauch. Der Chevalier de Bergerac wird so gut für einen Narren gehalten wie Don Quichote, der edelste Ritter. Nur die Poeten stimmen ihre Leier, denjenigen zu preisen, die mit dem Himmel nicht hadern, wenn sie auf Erden schlecht weg gekommen sind.
Wenn auch nur die geringeren von den irdischen Gütern überhaupt verteilbar sind, ist die Aufgabe, sie gerecht zu verteilen, darum nicht weniger wichtig. Die Menschen wenden sich nicht von ihren unerfüllbaren Wünschen nur allzuleicht den erfüllbaren zu. Sie zeigen darin eine wahrhaft anarchische Begabung. Alle Systeme der Moral sind erfunden, um die Menschen bei der Erfüllung ihrer Wünsche im Zaume zu halten. Freilich, die Weisheit der Moralsysteme, die als Dämme gegen die unerfüllbaren Wünsche der Menschen gebaut werden, erweist sich nur an ihrer Erfüllbarkeit. Gegen die Dummheit kämpft der Henker mit seinem Beil mit weniger Aussicht auf Erfolg als der Philosoph mit seinem Gänsekiel.